Wachau Magazin 2023

WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 3 | 49 Doch Martin Pritz ist nicht nur Angler, sondern auch begeisterter Jäger. Und so stammen Wildspezialitäten wie Rehschnitzel in Kürbis-Mandel-Panier genauso aus der hauseigenen Jagd wie das Wildschwein für die Bratwürste und die Fasane, Hasen und Rebhendl, die im Herbst aufgetischt werden. Aber mit Fleisch allein ist’s freilich nicht getan. Der Wirt bewirtschaftet 1,5 Hektar Obst- und Gemüsegärten, erntet u.a. Zucchini und Kürbis für die Restaurantküche sowie Quitten, Zwetschken und Marillen für hausgemachte Marmeladen und Schnäpse. LANDGASTHAUS ESSL Küchentradition trifft Gourmethauben Mit Marillen, für die die Wachau bekanntlich genauso berühmt ist wie für den Wein, beschäftigt sich auch Philipp Essl. Im malerisch an einem Seitenarm der Donau gelegenen Langasthaus sitzt man in der warmen Jahreszeit im idyllischen Gastgarten. Das Lokal zählt zu den seltenen Lokalen, die bravourös den Spagat zwischen bodenständigem Gasthaus und gepflegtem Restaurant meistern. »Mittags sind wir mehr Gasthaus, abends eine Spur mehr Restaurant«, sagt der Juniorchef, der vor acht Jahren zurückkehrte, um den Betrieb gemeinsam mit seinen Eltern zu führen. Generell sei man bemüht, so Essl weiter, gehoben, aber nicht abgehoben zu kochen. »Wir sind stark in der österreichischen Küchentradition verwurzelt«, betont er, »althergebrachte Gerichte sind ja in der Regel gut durchgedacht, was aber nicht heißt, dass man sie nicht auffrischen darf.« Und so gibt’s zu Mittag etwa die haustypischen Grammelknöderl mit luftigem Teig und Frühkraut; cremige Pilz-Tarhonya mit confiertem Eidotter, geröstetem Brokkoli und Wachauer Shiitake Pilzen. Aber auch ein bilderbuchmäßig gebackenes Wiener Schnitzel vom Kremstaler Milchkalb sowie Rahmragout vom Dunkelsteiner Reh mit Eierschwammerln, Serviettenknödel und Rotkraut. Sensationell auch die pikante Suppe mit Biofischen aus der Ramsau bei St. Pölten. Vieles davon wird auch abends angeboten – und zudem ein 6-Gang-Menü, bei dem es etwas ambitionierter und kreativer zugeht, wie der gegrillte Wachauer Kräuterseitling mit Ofenpaprika, Bröselfisolen und Bärlauchkapern oder wie die geflämmte steirische Gebirgsgarnele mit Basilikum, Gurke, Jalapeño und Cashews als Vorspeise. Durchaus spektakulär auch die Desserts, darunter die Eisbombe aus hauseigenen Marillen mit Mandelkrokant und Baiser oder das Wachauer Gâteau, eine leichtere Neuinterpretation der klassischen Wachauer Torte. GASTHOF WEISSES RÖSSL Genuss-Geheimtipp im Spitzer Graben Einen ähnlichen Weg zwischen traditionellemWirtshaus und gehobenem Restaurant geht auch der Gasthof Weißes Rössl in Mühldorf am Übergang von der Wachau ins Waldviertel. Seit rund 100 Jahren sitzt man hier im Schankraum zwischen älteren und jüngeren Einheimischen oder in der gediegeneren Gaststube beziehungsweise unter den Kastanienbäumen im Gastgarten und wählt zwischen Wirtshausklassikern wie gebackener Leber mit Petersilkartoffeln, Backhendl, Wachauer Gulasch und gebratener Bachforelle mit Thymiankartoffeln. Oder entscheidet sich für Ausgefalleneres wie Traisentaler Stör gebeizt und lauwarm mit Kartoffelrösti und Honig-Senf-Sauce, Vitello Forello, also einem butterweichen Kalbstafelspitz mit Räucherforellencreme, sowie Spezialitäten vom Mühldorfer Bio-Wagyu-Rind und Bio-Turopolje-Schwein, die hier in einem Gericht vereint werden. Am Herd steht Wirt und Küchenchef Roman Siebenhandl, der in seinen Wanderjahren nicht nur bei so manchen Koch-Stars, sondern auch in so manchem Großbetrieb kochte, wo er gleichfalls einige wichtige Erfahrungen gesammelt hat. Größere Veranstaltungen will er dennoch nicht in seinem Haus beherbergen, weil auch immer mehr individuelle Gäste das Weiße Rössl als Wohnadresse schätzen. Die in den letzten Jahren liebevoll neugestalteten Zimmer sind ausgesprochen schön geworden und zudem sehr preiswert. »Das Weiße Rössl soll in allen Bereichen, von der Küche bis zum Wohnen, ein echtes Gasthaus bleiben. Die Einheimischen müssen immer willkommen sein, weswegen das Schankgeschäft ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist«, sagt der Wirt in fünfter Generation. »Aber auch die auswärtigen Gäste sollen sich richtig wohlfühlen!« Und er spricht damit genau jene Funktion an, die ein echtes Gasthaus auszeichnet. Ist es doch jener Ort, an dem man einer Region, ihren Bewohnern und ihrer ganz eigenen kulinarischen Identität am allernächsten kommt.

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