PASSION STORIES No. 2 PASSION STORIES No. 2 HANDSCHLAGQUALITÄT ALS BASIS DES MITEINANDER Bauern und Köche wollen diese persönliche Beziehung. „Die Zusammenarbeit macht Spaß. Es ist der direkte Austausch mit Handschlagqualität. Das schafft Vertrauen. Wir Köche lernen dazu und entwickeln uns weiter. Die Bauern inspirieren uns“, ist Vitus Winkler vom Sonnhof aus St. Veit im Pongau überzeugt. Sein Fischer des Vertrauens ist Ottmar Rainer aus Pfarrwerfen. Der Salzburger züchtet seit 1997 Forellen und Saiblinge und beliefert Privatkunden und die Gastronomie. An den Großhandel verschwendet er keine Gedan11 10 Der Weißensee in Kärnten ist zu jeder Jahreszeit märchenhaft. Wer darin im Sommer schwimmt oder im Winter auf dem spiegelglatten Eis scheinbar dahinschwebt, weiß um die Magie des Sees. Idyllisch ist auch die Zusammenarbeit der Köche mit den Bauern. Theoretisch dienen diese Kooperationen im ersten Semester eines Soziologie-Studiums als Beispiel. Am Weißensee sind sie Realität. Speziell die Veranstaltungsreihe „Bauer und Koch“ gilt als Vorzeigeevent. Initiator ist Hannes Müller vom Genießerhotel Die Forelle. Der Koch zählt in seinem Handwerk zu den Besten. Müller versteht aber auch die Herausforderungen einer modernen, nachhaltig arbeitenden Landwirtschaft – er betreibt neben dem Hotel samt Restaurantbetrieb eine kleine Schafzucht. Er weiß somit um die Schwierigkeiten innerhalb des jeweiligen Berufes – und um die Beziehungen untereinander aus persönlichen Erfahrungen bestens Bescheid. Diese sind für gewöhnlich nicht immer einfach. Denn nur allzu oft genießen Köche zwar das Rampenlicht, kaufen jedoch Produkte im Großhandel ein. Wer hinter dem Lebensmittel steht, verschwindet in den Tiefen der Anonymität. Doch Bauern sind keine Strichcodes. Sie haben Namen und heißen Eva, Ottmar oder Fritz. Und sie benötigen ebenso eine Bühne. Müller lichtet den Vorhang. „Ohne Bauern wäre unsere Kochleistung nicht möglich. Und sie werden oft nicht gesehen. Das möchten wir ändern. Dankbar für die Lebensmitteln sein, und speziell die Menschen wieder mehr wertschätzen“, sagt Müller. Vor fünf Jahren initiierte er die Veranstaltung Bauer & Koch und lädt beide Hauptdarsteller zu sich ein. Bauer und Koch – eine Arbeit auf Augenhöhe. Wunschdenken oder Realität? Immer mehr Landwirt:innen und Köch:innen leben eine enge Kooperation. Vor allem die JRE-Betriebe zeigen, wie dies perfekt funktionieren kann. EINE FRAGE DES RESPEKTS Text: Philipp Braun Fotos: Joerg Lehmann Nur 50 Kilometer vom Kleinwalsertal entfernt, liegt im Tannheimertal Familie Müllers Sonnenhof. Ein weiteres Beispiel für eine gelungene Partnerschaft und die Verwirklichung der „nose-to-tail-Philosophie“, die für den kochenden Patron Patrick Müller ein Grundprinzip ist. „Er nimmt mir das ganze Kalb ab und verarbeitet es zur Gänze. Außerdem bleibt alles in der Region. Lange Transportwege fallen weg“, sagt Gerhard Müller, der eine Landwirtschaft mit Grünland, Kälbern und Kamerunschafen betreibt. Jeremias Riezler & Jodok Fritz Gerhard Müller & Patrick Müller Frischkäse von der Ziege mit Wildkräutersalat Räuchergarten (Forelle im Heu geräuchert, Oxymel, Wiesenblüten) Roman Pichler & Eva Nuart Vitus Winkler & Ottmar Rainer sogar die Hörner unserer Rinder, lagert darin Gewürze oder serviert eine Fleischbrühe im Kuhhorn“, sagt er. Es ist diese Wertschätzung, die beide antreibt – ein Arbeiten auf Augenhöhe und eine verlässliche Partnerschaft. Wie ein Stein, der in den Weißensee geworfen wird, seine Kreise zieht, machte auch die Initiative von Hannes Müller seine Runden. Zuerst in der Region und nun bis in alle Ecken Österreichs. Zum Beispiel in den westlichen Zipfel – nach Vorarlberg. NOSE-TO-TAIL NICHT NUR ALS LEERER WERBESPRUCH Mir geht es immer darum, dass ich weiß, woher und von wem die Lebensmittel kommen. Ich habe zum Großhändler weniger Vertrauen als zum Landwirt, den ich persönlich kenne“, sagt Jeremias Riezler aus dem Kleinwalsertal. Der gerade vom Guide Gault Millau 2024 für seine nachhaltige „grüne“ Küche ausgezeichnete Patron der Walserstuba in Riezlern hob die alpine Kulinarik auf eine andere Stufe und würdigt täglich seine Bauern. Jodok Fritz ist einer davon. Der Skisportler übernahm heuer die Familienlandwirtschaft. Gerne vergleicht er die Arbeit der Bauern mit jener der Köche und der Profisportler. „Es ist alles harte Arbeit. Man muss ein Ziel vor den Augen haben und das große Ganze sehen. Ich kann als Bauer nicht nur auf eine Kuh setzen, die maximalen Ertrag bringt. Genauso wenig bringt es dich als Sportler weiter, nur auf den kurzfristigen Erfolg hinzutrainieren. Als Koch musst du ebenso vielseitig sein. Und größer denken“, sagt Fritz. Fritz ist auch wichtig, Tiere nicht nur auf Schnitzel und Filet zu reduzieren, sondern alles zu verwerten. „Jeremias verwendet BAUER & KOCH Es ist der Nachhaltigkeitsgedanke, der immer wieder betont und mit Leben gefüllt wird. Für Patrick Müller ist jedenfalls eines unverhandelbar: „Qualität gibt es nur in Verbindung mit Nachhaltigkeit. Das klappt, wenn man die Bauern vor Ort unterstützt. Und dies beständig.“ In diesem Fall sind es bereits eindrucksvolle 18 Jahre. ken. „Das tu ich nicht. Da sind Fabriken dahinter. Das merkt man. Wir können genauso täglich die Qualität liefern und auf die Wünsche der Köche eingehen.“ Rainers Energie gilt ganz der Fischzucht. „Das machen wir gscheit, damit sind wir eingedeckt. Mehr können und mehr wollen wir nicht“ sagt er und lässt Köche den Job des Veredlers ausüben. Bäuerliche Betriebe sind weit mehr als Produzenten. Sie sind Teil eines Netzwerkes und Ideengeber für die Köche. Sie sind quasi Co-Gastronomen. „Die Zusammenarbeit und das Netzwerk ist großartig. Die JRE-Köche und -Köchinnen fragen mich, was es gibt, und schaffen nach der Verfügbarkeit ihr Gericht. Das ist ein anderer Ansatz, als zuerst das Gericht zu kreieren und dann zu schauen, woher ich die Lebensmittel bekomme“, bringt es Biobäuerin Eva Nuart auf den Punkt. Bereits ihre Eltern suchten eine andere Form der Direktvermarktung und waren nie die klassischen Marktfahrer. Schnell erkannten die Gastronomen, dass hier wunderbarer Käse produziert und eine kreislauforientierte Landwirtschaft verwirklicht wird. Molke vom Käse wird an die eigenen Schweine verfüttert. Die Nuarts veredeln und vermarkten Schafmilch wie Schaffleisch. Denn das eine kann ohne das andere nicht existieren. Eine Kuh, ein Schaf oder eine Ziege sind kein Wasserhahn, wo stetig etwas herausfließt. „Um Käse produzieren zu können, muss man Opfer bringen. Und auch schlachten“, sagt Nuart. Sie ist froh über den Austausch mit Köchen wie Roman Pichler. „Er versteht, dass es Milch ohne Fleisch nicht gibt. Wir besprechen Dinge, unterstützen uns gegenseitig. Das ist schon cool. Dann macht die Arbeit noch mehr Spaß.“ Der Patron vom Restaurant Moritz kommt regelmäßig beim Hof vorbei. Zum einen aus der Notwendigkeit heraus, gute Lebensmittel für seinen Betrieb einzukaufen, aber auch, um den persönlichen Kontakt aufrecht zu halten. „Es ist natürlich einfacher, beim Großhandel übers Telefon zu bestellen. Aber nachhaltig ist so etwas nicht. Ich fahre lieber zum Hof, unterhalte mich, trinke vielleicht ein Glas Wein und komme beim Gespräch auf Ideen, wie ich etwas anders und besser machen kann. Es ist wie Freunde zu treffen!“ Foto: Oliver Farys Foto: Petr Blaha
RkJQdWJsaXNoZXIy NzA5MzY2