Cirque Gourmet 25

42 Cirque Gourmet 2023 Euer internationaler Hintergrund legt die Frage nahe, welche Weintrends sich gerade zeigen? Thomas Ferrand: Die guten oder die schlechten Trends? (lacht) Wir wollen natürlich beide hören – aber es ist schon mal gut zu differenzieren! Thomas Ferrand: Es gibt eine weltweite negative Strömung, die an sich gar nichts mit Wein zu tun hat, sondern von den Luxusgütern aus in die Weinszene schwappt: Eine berühmte Luxusmarke entwickelt mit einer jungen Marke beispielsweise Sneaker. Die sind limitiert und kosten frisch aus der Fabrik vielleicht 200 Euro. Durch die Nachfrage am Markt hat sich schon wenige Tage später der Preis verzehnfacht. Ähnlich erging es Weingebieten mit kleiner Produktion und hoher Nachfrage wie Burgund oder Jura. Auch da wollen die Leute das trinken, was sie nicht bekommen können. Das sehe ich als Problem. Die Seltenheit selbst wird also zum Wert? Thomas Ferrand: Genau. Zumal sich durch die Limitierung dann zehn Restaurants um ein paar wenige Flaschen streiten. Da ist es doch viel besser, kleine Winzer aufzuspüren, die tolle Qualitäten machen, aber wo die Preise immer noch moderat sind. Anna Sattler: Genau deshalb ist es so wichtig, dass es Sommeliers gibt. Die brauche ich ja nicht, um eine Flasche Dom Pérignon zu verkaufen, die ohnehin jeder kennt! Und es macht Spaß, den Gast mit richtig guten Entdeckungen zu überraschen. Wie seht Ihr den Trend der »natural wines«? Anna Sattler: Kopenhagen, wo wir auch gearbeitet haben, ist eine Hochburg. In Wien ist dieser globale Trend ebenfalls angekommen, in der Steiermark noch nicht so ganz. Wir haben fast nie Gäste, die explizit danach fragen. Aber das wird sich vermutlich ändern. Auffallend ist, dass es sehr viel Unkenntnis gibt. Nur allzu oft wird biodynamisch mit natural verwechselt. Sommeliers und Winzer haben da noch viel zu tun, die Schwarz-Weiß-Malerei zu beenden. Weder sind alle konventionellen Weine böse, noch alle »natural wines« schlecht. Für mich zählt ohnehin nur: Schmeckt er? Thomas, wie ist Dein Zugang zu dieser Natural-Thematik? Thomas Ferrand: Ich habe einen klassischen Background. Für mich wird es schwierig, wenn ich nicht mehr unterscheiden kann, ob das Chardonnay, Veltliner oder Sauvignon ist. Und es gibt ein zweites Problem: Du verkostest etwas, das toll schmeckt, legst zwei, drei Kisten in den Keller und nach sechs Monaten hat sich der Wein dramatisch verändert. Das macht es schwierig, diese Weine zu verkaufen. INTERVIEW Was bedeutet das für Eure Weinauswahl? Anna Sattler: Wir sind eher klassisch ausgerichtet. Denn am einfachsten ist es immer, das zu verkaufen, was man selbst gerne trinkt. Wenn ich jemand eine halbe Stunde erklären muss, warum er diesen Wein mögen sollte, wird es schwierig. Das ist am Land anders als in Städten, wo es immer um aktuelle Trends geht. Was sind weitere auffällige Entwicklungen in der Weinszene? Anna Sattler: Die generelle Offenheit für guten Wein ist sehr erfreulich. Die Leute sind bereit, für entsprechende Qualitäten auch mehr auszugeben. Bei noch unerfahreneren Gästen ist es ganz wichtig, keine Sommeliers-Arroganz aufkommen zu lassen. Wenn man sich bei der Beratung Mühe gibt, kann man Hemmschwellen abbauen und die Menschen glücklich machen. Was freilich ebenfalls auffällt, ist der generell eher rückläufige Weinkonsum bei der jüngeren Generation. Wir werden daher ab heuer eine hochwertige alkoholfreie Begleitung zum Menü anbieten. Welche Weinregionen sollten Genießer im Auge behalten? Thomas Ferrand: Was in den letzten Jahren stark aufkam, waren Champagner vor allem von kleinen Winzern, und als Gebiet Jura und Beaujolais. Aber Spanien ist mit vielen kleinen Erzeugern ebenfalls wieder sehr interessant. Zum Abschluss noch persönliche Weintipps aus der Steiermark und dem Rest der Welt? Thomas Ferrand: In der Provence gäbe es das Château de Roquefort, die den Rosé »Corail« erzeugen. Mein weißer Tischwein von ihnen ist der »Les Genêts«. Aus Korsika empfehle ich Yves Leccia, der in der AOCRegion Patrimonio Wein macht. In der Steiermark gefällt uns der trockene Riesling von den Schauers aus dem Sausal – zuletzt hatten wir die Reserve 2018 – sehr gut. Noch ein Heimkehrer: Markus Sattler, zuletzt im Sterne-Restaurant Kokkeriet in Kopenhagen, kocht nun gemeinsam mit Vater Hannes im Gourmetrestaurant des Sattlerhofs auf. Ein Grund mehr, rasch mal wieder in der Südsteiermark vorbeizuschauen. Foto: Schubidu Quartet

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