Wachau Magazin 2021

WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 1 | 79 78 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 1 VINOTHEK FÜR GENUSSMENSCHEN Wer die Domäne Wachau ansteuert, wird schon von Weitem von ihrem Wahrzeichen, dem Kellerschlös- sel, begrüßt. Als erstes erreicht man die moderne Vi- nothek unterhalb des historischen Prachtgebäudes. Dort gibt es so ziemlich alles, was den wahren Wein- freund erfreut. Von Steinfedern über Federspiele bis zu den grandiosen Smaragden stehen sämtliche Top-Weine zur Verkostung bereit. Zu Ab-Hof-Prei- sen können sie auch gleich mitgenommen werden. Das Sortiment ergänzen exzellente Brände und ty- pische Leckereien der Wachau, wie Marillenmarme- lade oder handgeschöpfte Veltlinerbrand-Schoko- lade. An Nahrung für den Geist mangelt es mit Wis- senswertem zu Weinbau, Kultur und Tradition eben- falls nicht. Eine Filiale der Domäne befindet sich mit dem neuen »Shop 11A« im nahen Dürnstein, eine Genussanlaufstelle für die Besucher der malerischen Altstadt, darunter unzählige Schiffstouristen aus aller Welt. Neben der erfolgreichen Positionierung als Spezialist für Weingutsbesuche liegt Weingutsleiter Roman Horvath die inter- nationale Ausrichtung am Herzen. Davon profitiert auch die Region: »Es geht um die Besonderheit der Wachau und darum, dies auch entsprechend an unsere Besu- cher zu kommunizieren.« Das ganzjährige touristische Programm mit Keller- führungen, thematischen Weingarten-Wanderungen, Kellerschlössel-Kulinarien und -Heurigen über- zeugte bereits die Jury von »World’s Best Vine- yards«. Ein weiteres Highlight sind die Rieden- Schifffahrten auf der Donau. In der Welterbe-Region Wachau wachsen die Rebstöcke auf steinernen Ter- rassen die steilen Hänge empor. Landschaft als ganz großes Kino – derweil man, von sanften Wellen ge- schaukelt, die besten Lagen der Wachau verkostet. Auch Helikopter-Flüge hoch über Fluss, historische Dörfer, Schlösser und Klöster sind im Angebot, mit 1a-Blick in die felsigen und steil abfallenden Rieden. KONSEQUENT AUF DER ERFOLGSSPUR Nicht minder spannend ist der kontinuierliche Auf- stieg zu einem der besten Weingüter Österreichs. In ihrer über 300 Jahre langen Geschichte mischten schon das Chorherrenstift Dürnstein und die Habs- burger mit. Mit der Auflösung des Kirchenbesitzes Ende des 18. Jahrhunderts erwarb das Adelsge- schlecht der Starhemberger den Grund. Nach der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre schlug die Stunde der kleinen Weinpächter: Sie schlossen sich zur Win- zergenossenschaft Wachau zusammen und über- nahmen die Rebflächen. Seit 2008 firmiert man unter Domäne Wachau. Drei Jahre zuvor trat Roman Horvath als Geschäftsführer an. Als eine von nur rund 300 Personen auf dem Globus trägt er den Titel Master of Wine, ein Ritter- schlag in der Weinwelt. Ihm zur Seite steht Keller- meister Heinz Frischengruber, ein gebürtiger Wa- chauer und weitgereister Önologe. Mit der Unter- stützung von rund 250 Winzerfamilien, die gut ein Drittel der Rieden quer durch die Terrassen und Weingärten der Region bewirtschaften, katapul- tierte das Führungsduo die Domäne direkt in die Champions League. Was konkret bedeutet: Ihre Wachauer Veltliner und Rieslinge können mit der Weltspitze der Weißweine konkurrieren. EINE HOMMAGE AN 250 WEINBAUERN Doch worin liegt das Geheimnis dieses phänome- nalen Erfolges? Roman Horvath: »Uns sind die Ele- ganz, Finesse und Trinkfreudigkeit unserer Weine enorm wichtig.« Die drei Begriffe, die exemplarisch für das Selbstverständnis der Domäne Wachau ste- hen, lauten Qualität, Authentizität und Innovation. Und nicht zu vergessen das einzigartige Terroir, die terrassierten Weingärten mit ihren Trockenstein- mauern, in mühsamer Arbeit und mit viel Erfahrung aus Natur- und Bruchstein errichtet. Top- Weine entstehen nun mal zuallererst im Weingarten. »Die Hingabe, die Geduld und das Quali- tätsbewusstsein der Weinbauern, das war alles schon immer da«, erklärt Roman Hor- vath. »Dazu kommen Feingefühl und das Verständnis, mit diesen Weingärten etwas ganz Besonders zu haben.« Aufgabe von Weingarten-Manager und Kellermeister Heinz Frischengruber sei es, das bereits hervorragende Handwerk weiter in Rich- tung Kunsthandwerk zu entwickeln. Diese Feinjustierung umfasst unter anderem ein Weingarten-Qualitätsprogramm, die zeit- genaue Organisation der Traubenanliefe- rung und permanente Kommunikation mit den Winzerfamilien. Einzellagen werden separat verarbeitet. Handlese und gezielte Selektion bringen perfektes Traubenmaterial – für Weine, die in Charakter und Vielfalt die großen Lagen der Wachau widerspiegeln. Eine möglichst schonende Behandlung im Keller garantiert zudem präzise und klare Weine. Und wenn das alles vorbildlich ineinandergreift, dann darf man sich auch mal richtig freuen. Öno- loge Frischengruber: »2019 ist der perfek- teste Jahrgang, den ich je erlebt habe! Sensationell. Knackige Säure, Spannung, Zug, gute Haltbarkeit!« DAS GEHEIMNIS DER AMPHOREN Na dann, zumWohl! Aber was sind das für seltsame Behälter da imWeinkeller? All die Stahltanks und Holzfässer in diesem rie- sigen unterirdischen Labyrinth unter der Domäne Wachau mag man ja erwarten, aber Amphoren? Beton-Eier? Marmorfäs- ser? Granit-Gefäße? »Das ist unser Backstage-Be- reich. Man könnte es auch als Spielwiese bezeichnen«, schmunzelt Heinz Frischen- gruber. Am Anfang seien es nur Experimente gewesen, inzwischen habe sich daraus ein langfristiges Projekt ent- wickelt. Unter dem Namen »Backstage« werden einzelne Weine in unkon- ventionellen For- men und Stilisti- ken ausgebaut. So kommt ein Riesling aus der Amphore ganz und gar feingliedrig und präzise daher. Weinguts-Chef Horvath: »Wir möchten eben mit weniger Technik unverfälschte Aromen erreichen.« Und das gelingt so gut, dass die Backstage-Weine eine wachsende Fan-Gemeinde haben. Selbstverständlich verstehe man sich weiterhin als klassischer Wachauer Betrieb – allerdings einer mit In- novationsgeist. Aber da weht ja auch noch ein Geist der Geschichte durch die beeindruckenden 250 Meter Kellergemäuer. Bei den Verhandlun- gen zum Staatsvertrag für ein unabhängi- ges Österreichs bat in den 1950er-Jahren der damalige Bundeskanzler Leopold Figl den sowjetischen Außenminister Molotow nach Dürnstein zum Umtrunk zwischen Weinfässern. Ein ausgiebigst genossener Veltliner namens »Katzensprung« soll da- bei die Wege der Weltgeschichte geglättet haben. Heinz Frischengruber ordnet das gern historisch korrekt ein: »Mit seinem Schmäh und dem guten Wein hat der Figl Österreich buchstäblich freigetrunken…« 70 STUFEN INS PARADIES Ungefähr 70 Stufen führen aus der Unter- welt des Domänengewölbes ins Paradies. Und da kommt ein weiterer Geist ins Spiel, und zwar der Geist eines Geistlichen. Die Stiege endet im Kellerschlössel, das mit Fresken, Stuck und Wandmalereien zum Thema Wein überreich geschmückt, einst als irdisches Himmelreich einem wahren Zecher vor dem Herrn diente. Hieronymus Übelbacher (1674 – 1740) hieß der gute Mann, Propst von Dürnstein und Förderer der Künste und des seligen Weinkonsums. Das Augustiner-Chorherrenstift von Dürn- stein ließ er in einen prunkvollen Barock- schatz verwandeln, und sich selbst gönnte er ein Lustschloss zu dem frommen Zwe- cke, vorzüglichen Rebensaft in barocker Lebensfreude zu schnabulieren. Man kann getrost behaupten, dass das Kellerschlös- sel, zwischen 1714 bis 1719 nach Plänen von Jakob Prandtauer errichtet, immer noch diesen Geist atmet. Wer beim so wohligen Kellerschlössel- Heurigen den Blick auf die Sonnenuhr an der Fassade richtet, entdeckt den lebens- frohen Propst bei einer Kartenpartie. Im In- neren des Lustschlosses ist sogar sein Wahlspruch nachzulesen: »Wein ist alles und Wein ist über alles«. Das würde man so vermutlich auch bei der heutigen Domäne Wachau unterschreiben. Fotos (2): Günter Standl Foto: Rogl » Uns sind die Eleganz, Finesse und Trink- freudigkeit unserer Weine enorm wichtig. « ROMAN HORVATH » 2019 ist der perfekteste Jahrgang, den ich je erlebt habe! « HEINZ FRISCHENGRUBER Foto: Pamela Schmatz ZWEI LIEBLINGSWEINE VON ROMAN HORVATH GRÜNER VELTLINER 2019 SMARAGD ACHLEITEN Eine der spannendsten Lagen, ein dunkelwürziger Wein mit Feuerstein in der Aromatik. Ein großer Weißwein der Wachau, der sich mit den großen Burgundern messen kann. Passt wunderbar zu Tafelspitz, Weihnachtsgans oder Backhendl. RIESLING FEDERSPIEL RIED BRUCK Ein ganz straffer, zurückhaltender Riesling-Stil, mineralisch, elegant. Idealer Begleiter zu Sushi und leichtem Fisch. DOMÄNE WACHAU SCHNUPPERN – Kellerführung & Weinverkostung: April bis Oktober jeden Fr. und Sa. 14 Uhr, € 15,– p. P. Individuelle Besuchstermine auf Anfrage. ÖFFNUNGSZEITEN VINOTHEK – April bis Oktober Mo. bis Sa. 10–17 Uhr, November bis März Mo. bis Fr. 10–17 Uhr, Feiertage geschlossen. www.domaene-wachau.at ZWEI LIEBLINGSWEINE VON HEINZ FRISCHENGRUBER RIESLING SMARAGD RIED ACHLEITEN 2019 Grandioses Jahr, enorme Mineralität, Feuerstein, Spannung am Gaumen, Herkunft pur – macht Durst! Passt gut zu gegrilltem Fisch, Meeresfrüchten, aber auch zu Steak. Oder solo getrunken! ROSÉ 1805 RESERVE 2019 Super würziger Rosé mit Kirscharomen, aber auch wunderbarem Tannin und Säure, viel Zug, nichts für Anfänger. Ideal zum Grillen an warmen Sommer- tagen oder einfach zum Entspannen. Barocke Lebensfreude im Kellerschlössel und der Backstage-Keller als Experimentierfeld für innovative Weine.

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