Wachau Magazin 2019

ie Straße schlängelt sich den Spitzer Graben hinauf, vorbei an hübschen, tra- ditionellen Häuschen und schmucklo- sen Bauten aus den 1970er-Jahren. Bis in Vießling, im äußersten Westen der Wachau, ein Weingut aus seinem Umfeld hervorsticht. Ein moderner Bau, der auf den ersten Blick wie eine Scheune anmutet und perfekt mit der Um- gebung harmoniert. SPIEGELBILD DER WINZERSEELE Die innovative Gestaltung ist für Josef Högl und seinen Sohn Georg ein wesentliches Kri- terium gewesen. Als sie 2013 ihr Weingut neu konzipierten, planten sie nicht einfach nur einen modischen Akzent, sondern zeitlose Ar- chitektur. Der Bau sollte mit der Kulturland- schaft der Wachau korrespondieren, aber ebenso mit der Familie und ihren Weinen: »Wir wollten nicht einfach nur einen modernen Klotz, in dem wir uns wie Fremdkörper fühlen.« Mit dem Ergebnis sind die Bauherrn ebenso zufrieden wie internationale Experten: 2016 er- hielt das Projekt des Architektenduos Lude- scher/Lutz den Staatspreis für Architektur. Einerseits ermöglicht es eine deutliche Er- leichterung bei Abfüllung, Etikettierung, Lage- rung und Verkauf, andererseits besticht es mit schlichter Ästhetik: Elemente der traditio- nellen Bauweise werden dabei jedoch völlig schnörkellos umgesetzt. Der Neubau ist har- monischer Bestandteil des gesamten En- sembles geworden, schafft einen zusätzlichen Innenhof und setzt zudem innovative Akzente. So etwa findet sich das typische Wachauer Satteldach im Neubau wieder – freilich be- wusst reduziert. Der Verkostungsraum, durch- gehend aus Eichenholz, schafft die Balance zwischen purer Ästhetik und Funktion. Die Holzlamellen an der Glasfassade schützen vor starker Sonne und ermöglichen gleichzeitig einen Blick in die Weinberge. Letztlich spiegelt der moderne Bau die Stilistik der Högl-Weine: Geprägt von der Charakteris- tik der steilen Terrassenlagen des Spitzer Gra- bens sind sie ein Abbild der Region und doch eigenständig – Josef und Georg Högl schaffen Gewächse, die schlicht und spektakulär zu- gleich sind, mit straffer Struktur und Tiefgang. FINESSE STATT OPULENZ Senior und Junior Erich Machherndl haben beim Neubau ebenfalls auf moderne Architek- tur gesetzt. Wösendorf ist eigentlich ein typi- scher Wachauer Ort mit historischen Ge- bäuden. Von außen scheint sich das Weingut davon nicht abzuheben, im Innenhof über- rascht aber ein Designbau mit viel Holz und großen Glasfronten. Das verleiht eine gewisse Schwerelosigkeit, und die erweiterte Sicht in die Innenräume lässt den Hof wesentlich grö- ßer erscheinen. In diesemAmbiente fühlt man sich frei und ge- schützt zugleich. Vor allem aber wird klar, wie einander die Stilistik von Architektur und Wein D ODENHAFTUNG IN DIE ZUKUNFT MIT In Wachaus Weingütern ist man fleißig am Bauen, wobei es immer darum geht, »Altes« mit »Neuem« stimmig zu verbinden. Fünf Beispiele für Winzer, die dabei auf zeitgenössische Architektur setzen. Text: Christina Fieber; Fotos: Günter Standl B Familie Högls Riesling Smaragd Ried Bruck zählt zu den Aushänge- schildern des Weinguts: Präzise Steinobstfrucht, druckvoller Fruchtkick am Gaumen und großes Potenzial (erreicht einen ersten Höhepunkt meist nach 3 bis 5 Jahren). WA C H A U M A G A Z I N 2 0 19 | 69 W E I N - D E S I G N

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