Wachau Magazin 2019
66 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 19 W E I N - D E S I G N Von der Straße aus gesehen ist das Gebäude unscheinbar: Ein dunkler Langbau mit Flachdach und einem Cockpit aus Glas, und erst wo die Straße ihre Kurve nach Dürnstein macht, ist die glän- zende Metallapplikation zu sehen, die das Gebäude dynamisiert und die Aufmerksamkeit auf die beiden Buchstaben lenkt, die dem Gebäude seine Identität spenden: F.X. Kein Kürzel in der österrei- chischen Weinwirtschaft braucht weniger Erklärung. Lucas Pichler plante auch den Neubau der Produktionsanlage nach dem Jahrhunderthochwasser von 2002. Damals war die Donau bis in den Ortskern von Oberloiben gestiegen. Sie drang in den historischen Gewölbekeller ein, in dem die Pichler-Weine in großen Holzfässern auf die Abfüllung warteten. Die Fässer schwammen im dreckigen Wasser, und die kopfschüttelnde Familie wusste schlagartig, dass etwas geschehen musste – namentlich: Neubau. Es dauerte fast zehn Jahre, bis schließlich mit dem Bau begonnen werden konnte. Bauen in historischer Umgebung ist ein heikles Unterfangen, und die Wachau hat bekanntlich im Jahr 2000 von der UNESCO als besonderes Privileg den Titel Weltkulturerbe« erhalten, was die Sache natürlich nicht einfacher machte. Jeder Handgriff, jede Stufe der Planung erforderte Sorgfalt, Kontext, Ab- stimmung. Die Nordfassade des Weinguts ist von Steinertal bzw. Pfaffenberg über Loibenberg, Kellerberg und Liebenberg ausgerichtet, wo sich die wichtigsten Lagen der F.X.-Weine befinden. Die Fassade bekam an ihrem westlichen Ende einen Knick aus Glas. Emp- fangs- und Verkostungsraum wurden übereinander in einen schräg nach Norden positionierten Glaskubus angeordnet, aus dem ein grandioser Panoramablick vom Pfaffenberg bis nach Dürnstein möglich ist. Eine geschwungene Führung aus Metall verbindet die Produktionsräume optisch mit dem spektakulären Cockpit. Auf der unteren Kante dieser Applikation führt ein fast unsichtbarer Balkon rund um den Verkostungsraum. Lucas Pichler besichtigte, bevor er zu bauen begann, viele der neuen, architektonisch bahnbrechenden Weingüter in Österreich, Italien und den USA, und er war entschlossen, ein Konzentrat die- ser Qualitäten in die Wachau zu bringen, wo traditionell mächtige, alte Winzerhäuser das Landschaftsbild prägen. Wir wollten ein- fach kein Gebäude simulieren, das zwei- oder dreihundert Jahre alt ist«, sagt er, als er mir die neue Winery zeigt. Mir war immer klar, dass wir mit dem Zeitgeist bauen werden.« Die Spannung zwischen Landschaft, dem alten Ortsbild und dem Neubau ist erheblich. Sie ist kostbar. Sie zwingt Zeitgenossen- schaft in die Wachau. Sie komplettiert das Bild. « « « Die F.X. Pichler-Winery hat eine dunkle Fassade. Aus der Ferne kann man die Beziehungswelt ihres Oberflächenmaterials nicht erkennen, aber sobald der Blick über den Horizont, über das großartige, oktoberbunte Mittelalterpanorama von Dürnstein schweift, findet sich die Farbe in den Felsen unterhalb der Burgruine wieder. Ein helles, unregelmäßiges Schwarz, Autolackvertreter würden bestimmt einen Namen dafür erfinden, grottenanthrazit oder carbonnoir. Text: Christian Seiler MODERNES STATEMENT IM WEINGARTEN
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