Wachau Magazin 2018
G E N U S S - P O R T R A I T s sind zwei unterschiedliche Welten, in denen Fami- lie Knoll ihre Gäste empfängt, getrennt nur durch die schmale Hauptstraße von Unterloiben. Linker Hand das in den Wintermonaten geöffnete, behäbige alte Wirtshaus mit seinen verwinkelten Stuben und den groß- flächigen Bildern aus der romantischen Sehnsuchtszeit der Wachaumaler. Rechter Hand das Sommerrestaurant, ein zauberhafter, schier endlos großer Garten und – gerade bei kühlerem Wetter – einladende Arkaden. Vor allem aber ein Ort, an dem die klassisch österreichische Küche in all ihrer Kraft und Schnörkellosigkeit aus den Tiefen des vorigen Jahrhunderts in die neue Zeit gerettet werden konnte. Was Sepp Knoll und sein Sohn Josef in diesem ehrwürdi- gen Wachauer Familienbetrieb servieren, ist Wiener Küche der allerbesten Art. Dass man sie in solch zwanglosem Rahmen, unter uralten Apfelbäumen und in Hörweite der Donau-Lastkähne genießen darf, potenziert die Freude. Zur gelösten Atmosphäre gehören die von Grete Knoll diri- gierten Kellnerinnen und Kellner in obligatem Wams oder Dirndl, die oft schon seit Jahrzehnten mit routinierter Eleganz im Einsatz sind; aber mindestens ebenso die Selbstverständlichkeit, mit welcher der Garten Kindern auch zum Spielen offensteht – die Rutsche für die ganz Kleinen, die im Schatten von einem der Bäume steht, darf da durchaus als Aufforderung verstanden werden. IDEAL STRAMM ODER MIT VORNEHMEM SCHMELZ? Spätestens wenn die Vorspeisen aufgetragen werden ist der Nachwuchs ohnedies wieder bei Tisch. Diese Rind- suppe mit luftig buttrigem Grießnockerl, mit flaumigen Frittaten oder sonst einer handgemachten, klassischen Ein- lage will sich nämlich niemand entgehen lassen. Außer natürlich, wenn gerade Spargelsaison ist und die ideal strammen, bissfesten, aber eben nicht knackigen Stangen mit der legendären Sauce Vinaigrette samt ihrem akkurat in Millimeter-Quader geschnittenen Ei und würzigen Kräutern aufgetragen werden. Andere wieder bestehen seit jeher auf dem kühlen, vornehmen Schmelz der Enten- leber-Terrine – und recht haben sie! Man muss aber Vorsicht walten lassen, all dies in einer Speisefolge unterzubringen – klein waren die Portionen hier nämlich noch nie. Innereien-Freunde (und welcher Liebha- ber der Wiener Küche wäre das nicht?) sollten das Kalbs- beuschel einkalkulieren. Fein geschnitten, mit molligem Saftl, ist es immer wieder eine Verlockung. Ob dazu einer der tiefgründigen Rieslinge des Cousins und Spitzenwin- zers Emmerich Knoll besser passt oder doch ein straffer Veltliner, ist eine Glaubensfrage, die sich nur im Direkt- vergleich klären lässt. In jedem Fall verfügt das Restaurant über eine bemerkenswerte Jahrgangstiefe an Knoll’schen Weinen. Zum Glück lässt sich so eine Portion Beuscherl wunderbar zwischen zwei Essern teilen. Damit kann die Weinfrage gleich bei Tisch erörtert und geklärt werden. LEGENDEN UND MONUMENTE DER ÖSTERREICHISCHEN KÜCHE Die legendäre gefüllte Kalbsbrust gibt es ebenso wie den Kalbsnierenbraten nur amWochenende. Da sollte man sich jedoch vorab einen Tisch gesichert haben. So groß kann der Garten nämlich gar nicht sein, dass er bei schönem Wetter nicht ausreserviert sein kann – die Wiener, aber auch die lokalen Gäste wissen nur zu gut, was sie an ihren Knolls haben. Es kann freilich sein, dass man schlussendlich erst recht wieder das Kalbsbutterschnitzel bestellt. Unter Stammgästen gilt nämlich als ausgemacht, dass dieses Monument der Wiener Küche nirgendwo sonst in solcher schulmäßigen Perfektion aufgetragen wird. Dass sowohl Vater Sepp wie Sohn Josef ihr Handwerk einst beim legendären Ewald Plachutta gelernt haben, ist natür- lich kein Zufall. Dieser Altmeister der österreichischen Küche hatte Sepp Knoll noch während seiner Frühzeit im Wiener Hotel Astoria in seiner Brigade. Josef Knoll hinge- gen sollte seine Ausbildung in den – inzwischen auch schon längst verblichenen Drei Husaren – just in jenem Jahr abschließen, als Plachutta sich aus dieser traditions- reichen Weihestätte der Wiener Luxusgastronomie zurück- zog. Das Wissen um die Finessen der heimischen Küche hat seither im Loibnerhof ein verlässliches Heim. Für die Mehlspeisen gilt das ganz besonders. Marillenknö- del werden – nur in der Saison natürlich – flaumig gedreht. Ansonsten locken Strudeln aus garteneigenen Äpfeln, Mohr im Hemd, Cremeschnitte, Marillenpalatschinken und andere sündhafte Köstlichkeiten mehr. Die größte von allen verbirgt sich wohl in jenem entzückenden Geschirr, in dem bei Knolls die Buchteln portionsweise ins Rohr ge- schoben werden: Die brauchen zwar 30 Minuten Wartezeit, selten aber war eine halbe Stunde besser investiert als in diesem Fall. E LOIBNERHOF, 3601 Dürnstein, Unterloiben 7, T 0 27 32 / 82 8 90 reservierung@loibnerhof.at , www.loibnerhof.at Einer der vielen Hausklassiker: das schlichtwegs perfekte Kalbs- butterschnitzerl.
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