Wachau Magazin 2018
WA C H A U M A G A Z I N 2 0 18 | 2 7 Z E I T Z E U G E IM RAUSCH DER VERWANDLUNG BEJUBELT, BESUNGEN, BEHÜTET Kaum ein anderes Bauwerk an der österreichischen Donau wird so intensiv beschrieben, kaum so gefeiert wie der Turm der Stiftskirche von Dürnstein. Symbolhaft für die Schönheit und die Verletzlichkeit dieser Kultur- und Natur- landschaft führt er unbestritten den ersten Platz in der Liste der Wahrzeichen der Wachau an. Es ist ein Teil seines Geheimnisses. AUF FÜHLUNG MIT EUROPÄISCHER LEBENSADER Entstanden ist er an einer der schönsten Stellen des Donautales, wo sich die Donau bei Dürnstein eine sanfte S-Kurve in die südöstliche Böhmische Masse gebahnt hat. Von Westen kommend zwingen hohe Felsen vor Dürnstein den Strom in südliche Richtung zu drehen. Nach Dürnstein schwenkt der Fluss wieder nach Osten. In der Mitte dieser Schwingung thront der Turm auf einem aus dem Donaubett hoch herausragenden Felsen. Damit ist der Turm auf Füh- lung mit dieser europäischen Lebensader auf ihrem 2860 km langen Lauf bis in das Schwarze Meer. Seine eigenen Schwingungen sendet der Turm über den Felsen wieder in den Strom zurück. Von seinem Glockenraum bietet der Turm Aussicht über vier Gemeindegrenzen. Ideal für Kommunikation in einem mäandernden Abschnitt des Flus- ses, weist seine topographische Besonderheit auf antike Ursprünge hin. WACHTURM (SPECULA) AM LIMES Als Teil der großen nördlichen Grenzanlage des Imperium Romanum befand sich am Fuß des Burgbergs am linken Ufer ein Wachturm. Er diente in einer Kette, bestehend aus Legionslagern wie Vindobona oder Carnuntum, Kastellen wie Favianis (Mautern) und vielen Türmen, der Sicherheit und der Kommunikation der Legionen entlang der römi- schen Reichsgrenze, die ab dem vierten Jahrhundert ein christianisiertes Imperium beschützte. Die Römer fassten auch am linken Donauufer Fuß. So dehnte bereits Kaiser Mark Aurel die Sicherung der norisch-pannonischen Reichsgrenze weit in das Land nördlich der Donau aus. Sicherungsdienst und Verkehr zwischen den Grenzanlagen untereinander standen unter dem Befehl eines Grenzkom- mandanten (dux limitis). Die Schiffe für mehrere Legionen patrouillierten auf der Donau. Die Trajans-Säule in Rom gibt bis heute beredtes Zeugnis von den Legionen an der Donau. Schiffsbrücken sicherten den Verkehr zwischen den Ufern. An der Donau wurde lange Latein gesprochen und gelesen. Die ersten dauerhaften verschriftlichten Regeln für ein geordnetes Zusammenleben an der Donau waren römi- sche Militärvorschriften in Latein. Ihnen folgten später die lateinischen Regeln des spätantiken Philosophen und Kirchenvaters Augustinus. Diese antiken Grundlagen konn- ten für das Entstehen eines Wahrzeichens in einem mäan- dernden Flussabschnitt in der Wachau nicht idealer sein. Vieles ging in der Völkerwanderung nach den Hunnen, den Rugen, den Herulern, den Goten, den Langobarden und endlich den Awaren verloren. Der Herrschaft der Awaren Kein Wappentier, keine reduzierte Grafik, sondern die älteste Vedute der Stadt. Im linken unteren Teil der gotische Turm, der fast 260 Jahre später seine barocke Verwandlung erfuhr. Die Urkunde über die Bekräftigung der Stadtrechte durch Kaiser Friedrich III. aus dem Jahre 1476. Sie zeigt das mittelalterliche Stadtbild in Wappenform, eine Einzigartigkeit in der Heraldik. VOM RÖMI SCHEN KOMMUNIKAT IONSTURM ZUM WAHRZE ICHEN DER WACHAU Text: Gottfried Thiery, Fotos: Gregor Semrad
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