Wachau Magazin 2018
2 4 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 18 Täglich, Sommer wie Winter, rollen die Fähren unzählige Male über das Wasser. Immer dieselben 270 Meter von Spitz nach Arnsdorf und zurück. Die Tätigkeit scheint beschaulich, fast meditativ. Vielleicht sogar langweilig. RESPEKT VOR DER LEBENSADER DONAU Doch der Eindruck täuscht. »Die Donau wirkt sehr beruhi- gend, aber es kann auch fürchterlich werden. Sicher wird alles mit der Zeit zur Routine, aber man muss trotzdem immer konzentriert sein«, erzählt Lukschanderl. Mit kritischen Situationen ist auf der Donau immer zu rech- nen. Das bestätigt auch Holzapfel: »Ich habe Respekt vor meiner Lebensader.« Beide sind im Dienste ihrer Gemein- den unterwegs, sie leben und arbeiten schon immer in ihrem Heimatort. Holzapfel nördlich der Donau, Lukschan- derl südlich davon. Beide kennen den Strom und seine Tücken wie ihre Westentasche. Holzapfel ist mit elf Jahren erstmals zum Schwimmen in die Donau gesprungen, für Lukschanderl ist sie Brotge- ber und Freizeitvergnügen zugleich: Baden, Bootfahren, Fischen und Radfahren am Ufer entlang. »Die Donau hat mich schon als Kind fasziniert, wenn man neben dem Wasser aufwächst. Ich möchte nirgends länger Urlaub machen, wo es kein Wasser gibt«, sagt Lukschanderl. STILLSTAND NUR IN AUSNAHMEFÄLLEN Beide kennen die schöne blaue Donau aber auch anders. Als reißenden Strom, der die Bewohner in Angst und Schre- cken versetzt. Und Verzweiflung und Tränen mit sich bringt. Wie 2002 und 2013, als sie gleich zwei Mal »Jahr- hunderthochwasser« führte und die Wachau flächende- ckend überschwemmte. Die Rollfähre stellte zwar ihren Betrieb ein, die Fährmänner versahen dennoch Dienst. Sie mussten sicherstellen, dass sich keine Baumstämme und sonstiges Treibgut am Schiffskörper verheddern. Sie haben wahrscheinlich mehr Zeit auf der Donau verbracht als zu Hause. Paul Holzapfel ist seit 23 Jahren Fährmann, sein Kollege Wolfgang Lukschanderl sogar seit 32 Jahren. Das Leben beider hängt buchstäblich an einem Seil. Dem Tragseil der Rollfähre, das 270 m quer über die Donau gespannt ist. Text: Fritz Pessl* LEBENDIGES KULTURGUT Foto: Gregor Semrad EIN BERUF ALS BERUFUNG Paul Holzapfel und Wolfgang Lukschanderl verbinden für die Menschen der Wachau, was die Donau trennt: Das Nordufer mit dem Südufer. * Dieser Text von SN-Redakteur Fritz Pessl wurde in den Salzburger Nachrichten erstveröffentlicht.
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