Wirken sich Ihre Vorlieben aus der Heimat auch auf die Wahl Ihrer Lieblingslokale aus? Oder gibt es da andere Kriterien? Michael Rotschopf: Ich finde, dass das Kulinarische genauso viel Abwechslung braucht wie das Leben selbst. Es gibt in Berlin Lokale mit österreichischer Küche, wie das Austria oder das Ottenthal, die ich gern frequentiere. Aber es gibt nicht so etwas wie ein Stammlokal, in das ich ständig gehe. Mir ist das Unprätentiöse am liebsten – wie die Salumeria da Nino in Berlin, wo du etwas vom Buffet nehmen oder dir eine Pasta machen lassen kannst, wo du draußen sitzt, wenn’s schön ist und wo man’s nett hat. Ich mag das Hochgestochene nicht. Also im Steirereck zum Beispiel wird man mich nicht finden. Sie kochen auch selbst und haben einmal gesagt, Sie können dem Leben nur sinnlich begegnen. Gilt das auch am Herd? Michael Rotschopf: Absolut. Egal, wo ich gerade bin, schaue ich, was es auf dem Markt gibt und überlege mir, was ich damit machen kann. Deshalb buche ich mir auf Reisen in der Regel kein Hotelzimmer, sondern eine Wohnung mit Küche. Ich habe das Bedürfnis, die Sachen, die ich mache, auf dem Teller so geschmacksauthentisch zu belassen wie nur möglich. Ich war zum Beispiel einmal in der Nähe von Mannheim, und die hatten dort einen wunderbaren Spargel – aber die verarbeiten den dann so, dass ich ihn gar nicht mehr essen will. Bei mir gibt es weder Sauce Hollandaise noch Butter dazu, höchstens ein bisschen Olivenöl. Ich habe mich einmal eine Weile makrobiotisch ernährt und dabei sehr viel über Lebensmittel gelernt – was kühlt, was wärmt, was fettet, was entfettet. Das hilft mir wahnsinnig, mich dabei zu orientieren was mir Spaß macht und was ich gerade mag. Sie gelten nicht nur als leidenschaftlicher, sondern auch als extrem disziplinierter und kompromissloser Arbeiter im Beruf. Wie definieren Sie für sich Genuss und welchen Stellenwert darf der einnehmen? Michael Rotschopf: Es gibt immer eine Bremse in meinem Beruf, und die heißt Gewicht. Ich muss oft sehr genau aufpassen, was ich esse, um welche Uhrzeit ich das tue und wieviel ich esse – es ist nicht so schlimm wie bei einem Tänzer, aber ich muss das im Auge haben. Denn wenn ich auf der Bühne stehe, muss alles da sein – die Stimme, der Körper, da kann ich nicht überfressen auflaufen. Aber jedes Jahr kommt dann diese Zeit, dieser Frühling, dieser verdammte, wo ich das Gefühl habe – und ich weiß nicht einmal ob das überhaupt stimmt –, dass da in Osttirol bereits um halb elf der Wein auf dem Tisch stand. Dieses Gefühl, jetzt wird’s ein bisschen wärmer, jetzt kommt diese Lust nach diesen Säuren im Weißwein, nach diesem überbordenden Lebensgefühl. Einfach zu sagen: Jetzt esse und trinke ich einmal mehr als ich sollte. Und den Genuss, das ohne Reue zu tun. Zu sagen: Ich mache jetzt alle Sinne auf und habe meine Lust darauf, zu leben. Das ist der Genuss, diese wahnsinnige Lebenslust. Wenn der Schauspieler heim nach Lienz kommt, heißt es meist »Tschüss Disziplin, servus Genuss.« Denn hier warten Weine, Leibgerichte und liebe Menschen auf ihn. Osttiroler Wurzeln und italienische Weine Von seiner Schwester Marie Theres (Bild links), einer diplomierten Sommelière, wird Michael Rotschopf bei jedem Heimatbesuch mit neuen Weinen aufs Angenehmste »verwirrt«. Vater Josef »Pepi« Kreuzer (Bild rechts) verwandelte eine frühere Anlaufstelle für Erstkommunions-Jausen in das vielfach ausgezeichnete Genießer-Parkhotel Tristachersee. Mit Klaus Maria Brandauer stand Rotschopf acht Jahre lang als Schreiber Licht in »Der zerbrochne Krug« auf der Bühne. Brandauer ist für Rotschopf sowohl als Kollege, als auch menschlich ein großer Lehrmeister. Die Schlipfkrapfen schmecken Michael Rotschopf nirgendwo so gut wie in der Osttiroler Heimat. Da hat die Großmutter, eine ausgezeichnete Köchin, einst die Latte sehr hoch gelegt. Bei den Weinen tendiert der Schauspieler zum italienischen»Pinot Grigio«, dem Grauburgunder. Schwester Marie Theres konnte ihn aber mittlerweile auch schon für Naturweine begeistern. Was Rotschopf liebt und wen er schätzt Fotos: Tristachersee privat Foto: © Nik Hunger, courtesy Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 Foto: Joerg Lehmann 18 Cirque Gourmet 2025/26
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