Cirque Gourmet 23
37 Cirque Gourmet 2022 ls Richard und ich vor 22 Jahren unsere kulina- rische Reise begonnen haben, fing ich mit ein paar Weinen an. Je anspruchsvoller unsere Küche wurde, desto anspruchsvoller wurde auch meine Arbeit mit den Weinen. Mein Bruder hat noch nie ein Menü zweimal gekocht, also bin ich als Sommelière immer gefordert, auf diesem Level mitzugehen. Essen und Wein müssen sich auf Augenhöhe begegnen. In der Regel gibt Richard die Speise vor und ich lasse mir dazu etwas einfallen. Aber es kommt auch vor, dass ich einen Wein bringe und zu ihm sage: »Machst du mir bitte ein Gericht dazu?« Da ist es schon wichtig, dass einem dieses faszinie- rende Thema Wein, wo es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt, auch persönlich begeistert und man stets neugierig bleibt. Deshalb unternehme ich auch jedes Jahr eine große Weinreise, um wieder etwas für meine Karte aufzustöbern, worüber ich auch Geschich- ten erzählen kann. Denn wir reden zwar vom Wein, aber es geht doch vorrangig um die Menschen dahinter. Ich verkoste viel, aber noch lieber bin ich bei den Winzern selbst. Am allerliebsten bei denen, deren große Leidenschaft förmlich ansteckend ist. Das beein- druckt mich mehr als eine fulminante Geschmacks- note – es hat einfach etwas authentisches, wenn jemand eins wird mit dem Produkt, das er herstellt. Es gibt bei uns in der Region, aber auch weit darüber hinaus, eine neue Generation von Winzern, deren Arbeit mich sehr beeindruckt. Da geht es wieder um das Ursprüngliche, um den Einklang mit der Natur, um die Frage, was geben Witterung und Boden in meinem speziellen Umfeld her und was kann ich daraus machen. Das ist für mich ein seelenvoller Umgang. Wenn man so eine Einstellung zu seiner Arbeit ausstrahlt, kommen auch die Menschen, die darauf ansprechen. Das ist ja auch bei uns nicht anders, denn wieso kämen sonst Leute von überall her ins kleine Trautmannsdorf? Es geht stets um das Gesamterlebnis aus Küche und Keller, ums Genießen mit allen Sinnen. Die große Herausforderung und Kunst ist es, alles für den Gast so zu gestalten, dass sich seine Wünsche mit unserer Philosophie treffen. Und ich schätze unsere Gäste auch dafür, dass sie manchmal herausfordernd sind. Einmal hat mir jemand nach einem Menü zur Weinbegleitung gesagt: »Das war sehr gut, aber heute sind Sie auf Nummer sicher gegangen. Da waren ja nur bekannte Winzer vertreten, nichts Neues.« So ein Feedback ist mir wichtig, weil es konstruktiv ist und ich darüber nachdenken kann. Und weil es ein guter Input ist, der zu meiner Philosophie vom Leben als große Lern- und Entdeckungsreise passt. Was zeichnet Deine Weinkarte aus? Bei uns, mitten im Weinbaugebiet Vulkanland, gibt’s bei rund 1.100 Positionen einen großen Steiermark- Schwerpunkt mit Jahrgangstiefen der großen Lagen. Am burgenländischen Blaufränkisch kommen wir in Österreich ebenso nicht herum, wie an Grünen Veltlinern und Rieslingen aus Niederösterreich. Für mich sehr spannend ist Furmint – den gibt es auch in Rust und vereinzelt sogar in der Steiermark. Sehr gerne empfehle ich Champagner von kleinen Häusern und elegante Weine aus dem Burgund. Zur Trüffelzeit hole ich verstärkt Piemont aus dem Keller, und wenn’s um Rindfleisch geht ist die Toskana immer interessant. Welche Bedeutung haben Natur- und Orangeweine für Dich? Orangeweine sind rückgängig, bei Naturweinen kommt es auf die Definition an. Viele Betriebe haben schon auf nachhaltige Weinbereitung umgestellt. Für mich ist es zwar nicht zwingend notwendig, dass jemand biologisch oder »Demeter« arbeitet, aber wenn ich mir meine Weinkarte anschaue, sind das halt doch die meisten. A Es ist schon ein besonderes Kunststück, ein kleines Dorf in der Südoststeiermark zu einem der begehrtesten Gourmetziele Österreichs zu machen: Bei den »Geschwistern Rauch« in Trautmannsdorf sorgt Richard in der Küche für geniale Genussmomente. Seine Schwester Sonja ist als Sommelière für die passenden Tropfen zuständig. Und sie gewährt uns einen Einblick in ihr Leben mit Weinen, Winzern und dem Genießen an sich. Interview: Wolfgang Maria Gran; Fotos: Ingo Pertramer DIE SCHÄTZE DER FRAU RAUCH INTERVIEW Höchste Zeit, mal Sonja Rauch vor den Vorhang zu bitten. Sie ist es, die mit ihrer kompetenten, lockeren und immer wieder überra- schenden Weinbegleitung die Kreationen ihres Bruders Richard in Restaurant und Wirtshaus perfekt abrundet. Gemeinsam haben sie »Geschwister Rauch« zu einer der besten Genussadressen Österreichs gemacht.
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